"Torhüter" am Felsentor

 

Darf ich mich vorstellen? Mathias Pongrácz. Ich bin Ende Jänner am Felsentor angekommen und in die Rolle des Tanto bzw. spirituellen Leiters eingestiegen. Was diese Rolle bedeutet, musste ich erst einmal ausloten.

Ich bin im Februar 1992 im Haus der Stille, Puregg bei einem Sesshin zu den Schülern Kobun Chinos gestossen. Seitdem nahm ich jedes Jahr ein bis zweimal an seinen Sesshins teil, bis zu seinem Ableben im Sommer 2002. Diese Tradition der gemeinsamen Praxis habe ich mit Vanja Palmers bei den sommerlichen Kobun Erinnerungssesshins in Puregg seitdem weitergeführt.

Eigentlich komme ich aus der Sangha des tibetischen Meisters Chögyam Trungpa Rinpoche, bei dem ich vor 40 Jahren begonnen habe. Die Sangha wird jetzt von seinem Sohn Sakyong Mipham weitergeführt. Dort habe ich die Rolle eines Senior Teachers wahrgenommen.

Seit Frühjahr 2024 halte ich wöchentlich jeweils Mittwochs kleine Dharmavorträge für die Hausgemeinschaft am Felsentor. Zur gleichen Zeit haben wir auch die monatliche Vollmondzeremonie wieder aufgenommen, die von manchen sehr geschätzt wird. Daneben gibt es auch Zeremonien für Verstorbene und auch die Praxis des Tonglen. Das Wort heisst senden und aufnehmen: Es ist eine Praxis bei der man das Leid von anderen oder sich selbst aufnimmt, um es zu wandeln und Freude und Wohlergehen sendet.

In den letzten Monaten gibt es auch einen Meinungsbildungs-Prozess über die Ausrichtung des Felsentores.
Als Teil der Hausgemeinschaft lebe ich, wie die anderen Mitglieder in einem Spannungsfeld: Einerseits in der Aufgabe Haus und Zendo am Felsentor für die Kurse der ankommenden Lehrer und deren Teilnehmer in Schuss zu halten und andererseits unser kontemplatives Leben in Stille aufrechtzuerhalten bzw. zu nähren, mit dem klösterlichen Praxisrhythmus, dem täglichen Zazen und dem Studium von spirituellen Fragestellungen.

Die Kurse wechseln einander im Wochenrhythmus ab. Dazwischen gibt es wenig Zeit um innezuhalten. Für das ganze kommende Jahr 2025 sind wir mit Kursen wieder ganz ausgebucht, d.h. der Betrieb läuft gut. Zweimal im Jahr im Jänner und im Juni haben wir jeweils drei Wochen Praxisperiode vorgesehen, die von den LehrerInnen der eigenen Sangha, der Phönix Wolken Sangha, angeleitet werden. Im Winter ist der Fokus naturgemäss nach Innen gerichtet. Wir bemühen uns der Hausgemeinschaft, soweit als möglich, die Teilnahme an der intensiven Praxis zu ermöglichen. Diesen Jänner werden wir dabei die tief gehenden Mahayana Leitsprüche des Mindtrainings studieren, die auf den alten indischen Meister Atisha (980- 1054) zurückgehen. Im Juni kommt naturgemäss die Praxis im Freien (Medi-Tieren) in Zusammenarbeit mit der Tierschutzstelle hinzu.

Was heißt es am Felsentor zu leben?
Welchen Anteil hat das kontemplative, klösterliche Zusammenleben am Funktionieren des Felsentores? Wie weit wird das Felsentor davon geprägt?!
Was ist die Ausrichtung des Felsentores? Ist es mehr ein Dharmahotel, wie es manchmal im Scherz genannt wird, ein Seminarzentrum oder ist es eine spirituelle Gemeinschaft? Oder beides? Welchen Anteil davon können wir dann betonen oder mehr fördern?

Das sind nur einige Fragen, die mich und auch andere in der Hausgemeinschaft bewegen. Die Antworten darauf werden sich erst mit der Zeit herauskristallisieren. In seinem 25 jährigen Bestehen hat das Felsentor eine enorme Entwicklung durchgemacht. Dieser Prozess der Entwicklung wird aber nicht stehenbleiben. Ich bin gespannt in welche Richtung er gehen wird. Mehr nach Innen, oder nach Aussen?
Eine Frage mehr. Schauen wir mal was kommt.

Mathias Pongracz, Tanto am Felsentor




 
 
Stiftung Felsentor