Winterpraxis 2025

 

Von  Bodhicitta und „Body-dharma“ - Körper und Geist gehen lassen

Unter diesem Aspekt könnte man die drei Wochen der Einkehr im Jänner 2025 verstehen. Die heurige Winterpraxisperiode wurde vom spirituellen Leiter des Felsentores Mathias Pongrácz und den zwei Shusos Hans und Christine Rainer animiert.
Sie stand unter dem Zeichen der Entwicklung von Bodhicitta – man könnte sagen: Öffnung des Herzens, bzw. öffnen des Herzgeistes sowie als Ergänzung: Sensory Awareness, eine Praxis der spielerischen Erforschung von Körpergewahrsein.

Neben der Sitzpraxis, dem Zazen, wurde mit uralten Merksätzen aus der Lojong / Geistestraining Tradition gearbeitet. Dabei geht es um Anweisungen die der altindische Meister Atisha Dipankara vor ca. tausend Jahren seinen Schülern unter vier Augen gab, um ihnen zu helfen sich vom Gefangensein in ihrem Ego zu befreien. Diese Schüler haben die Slogans an die nächsten Schüler weitergegeben bis auf den heutigen Tag. Slogans wie: „Betrachte alle Erfahrung als Traum“ oder „Erforsche die Natur des ungeborenen Bewusstseins“ wurden als Hilfe zur Erfahrung der offenen, zeitlosen Natur des Gewahrseins angeboten. Oder: „Weise alle Schuld dem einen Punkt zu“ d.h. die Anhaftung an ein ich als Wurzel des Leidens. Oder: „Versuche nicht der Schnellste zu sein“ d.h. sich nicht vergleichen, sich nicht in einen Konkurrenzkampf mit anderen einlassen. Oder: „Grüble nicht nach über andere“ sondern meditiere darüber was deine Abwehr, oder was deinen Widerwillen verursacht etc. Alles diese Merksätze wurden als Ansporn geboten für eine Arbeit mit den eigenen Gewohnheitsmustern und mit dem Festhalten an ein kleines Ich.

Ein besonderes 'Highlight' der Winterpraxisperiode waren die Stunden mit der Shuso Christine Rainer. Sie leitete die Teilnehmer in der Kunst des „Sensory Awareness“ an. Das sind einfache Bewegungen, die dazu dienen die Körperwahrnehmung bzw. das Körperbewusstsein zu vertiefen, zu schärfen oder zu erweitern. Sie nannte es „wach werden durch bewusstes Wahrnehmen“. Diese Stunden wurden von den WeggefährtInnen mit grosser Wertschätzung angenommen; sie boten eine ideale Ergänzung zur Sitzpraxis des Zazen und trugen zu einer entspannten Atmosphäre bei. Nach dem anregenden Vortrag von Christine Rainer über Sensory Awareness nannte sie der Doshi Mathias halb im Spass „Body-dharma“.

Shuso Hans Rainer gab einen würdevollen Doshi ab und hielt einen berührenden Vortrag über seinen Weg zum Dharma, den er über das Töpfern und über die Arbeit mit dem Ofen und dem Brennen genommen hat. Das führte zu einer Reflexion über die Elemente Feuer und Erde. Es waren angenehm wärmende Betrachtungen, die noch lange nachklangen.

À propos Wärme: die erste Häfte der Winterpraxisperiode war von Schnee, Eis und langandauerndem dichten Nebel geprägt. Was sich auch unter den Praktizierenden niederschlug: Verkühlungen, Husten und dergleichen machten die Runde. Schlussendlich aber haben alle es geschafft der Kälte, dem Eis und ihren Auswirkungen und den Bakterien zu trotzen und erwiesen sich als wetterfest. Wozu auch nicht zuletzt die Losung: „Durchlässig werden“ (d.h. nichts festhalten) verhalf.

Den Abschluss bildete eine Shuso Befragungszeremonie, welche die beide Shusos (zum ersten Mal zwei Shusos auf dem Podium) mit Witz und Würde meisterten.
Nach dem Ende der Befragung machte sich noch einmal einige scheinbar endlose Augenblicke lang die Stille, die schlichte Einfachheit und die Tiefe bemerkbar, die sich während der ausdauernden Übung aller WeggefährtInnen aufgebaut hatte. Sie waren dem Geheimnis des Lebens begegnet: 'Warten können'.

Bericht und Impressionen: Mathias Pongrácz, Tanto vom Felsentor



 
 
Stiftung Felsentor