Nachklang zur Winter-Praxisperiode 2024
Unbeständigkeit ist eine sehr konkrete Realität, die wir jeden Tag vor Augen haben. Niemand kann sie leugnen. Wenn wir über unser Leben nachdenken, können wir sie nicht umgehen. Sie zu erkennen ist der Ausgangspunkt unserer Reise auf der Suche nach dem wahren Wesen.
Eihei Dogen Zenji
Anfang dieses Jahres fand am Felsentor wieder die traditionelle dreiwöchige Winter-Praxisperiode statt. Es ist dies eine besondere Zeit der Einkehr, des sich Vertiefens in die Dharma-Lehre und der konzentrierten Übung des achtsamen Tuns. Schnee und Kälte hatte die Landschaft in ein traumhaftes Wintermärchen verwandelt – der Anblick der mit Zucker übergossenen Bäume und gefrorenen Wasserfälle verzauberte uns alle.
Die Praxisperiode war Dogen Zenjis «Richtlinien auf dem Studium des Weges (Gakudō yōjin- shu)» gewidmet. Mit diesem frühen Text richtete er sich ursprünglich an seine neu gegründete Mönchsgemeinschaft in Japan.
Kokyo Henkel, ein brillanter Dharma-Lehrer vom Green Gulch Farm Zen Center in Kalifornien , nahm uns mit auf eine Dharma-Reise die uns ein reines, unvergängliches und uns tief miteinander verbindendes Gewahrsein als Grundlage der Realität entdecken ließ. Ein Zustand, der uns das Erleben und Erkennen spiegelgleicher Weisheit offenbart, wodurch wir alle schließlich Buddha Natur erfahren und verwirklichen können. Es ist dies Teil einer Lehre, wie sie uns von alten Meistern und unseren Vorfahren aus China und Japan übertragen wurde.
Kokyo verstand es, uns durch seine inspirierenden Worte für die Lehre von Meister Dogen zu begeistern. Im Selbststudium und in informellen nachmittäglichen Gesprächen im Gartencafé gab es darüber hinaus Gelegenheit, uns über das Gehörte auszutauschen.
Bei der täglichen Arbeitsmeditation (Samu) im Garten, Haus, in der Küche und bei den Tieren bot die Konzentration auf die praktischen Tätigkeiten einen guten Ausgleich zu Zazen und den Vorträgen (Teishos) im Zendo.
Als wir von Peppis Tod erfuhren, nahmen wir nach einem Zazen-Abend Abschied von ihr, der ehemals langjährigen Leiterin vom Haus der Stille, in Österreich. Shoho Kuebast, buddhistische Priesterin und Kokyos Partnerin, hatte mehrere Jahre mit Peppi auf Puregg gelebt. Sie gestaltete die Zeremonie und berührte unsere Herzen durch ihre persönlichen und schlichten Abschiedsworte, die sie an die Verstorbene richtete.
Am 26. Januar wird üblicherweise Meister Dogens Geburtstag gefeiert. Zu diesem besonderen Anlass veranstalteten wir erstmals im Zendo eine rituelle Gedenkszeremonie. Es gab auch Geburtstage aus unseren Reihen zu feiern und zu würdigen.
In der letzten Praxiswoche fand wie üblich das Sesshin statt; das bedeutete intensiveres Sitzen, dafür weniger Samu. Alle drei Mahlzeiten wurden nun im rituellen Oryoki-Stil im Zendo eingenommen.
Den Höhepunkt des Sesshins bildete wie immer die abschließende traditionelle Shuso-Zeremonie (Shuso bedeutet erster Mönch der Praxisperiode) – dieses Jahr mit Alfred Schmidt aus Wien. Eine grosse Gästeschar – inklusive Vanja und zahlreiche Shusos aus den vergangenen Jahren – war angereist , um an dieser besonderen Feier teilzunehmen. Traditionsgemäss hatte der Shuso auf all die Fragen, die ihm von den Anwesenden gestellt wurden zu antworten, begleitet von einem lauten Aufstampfen des Dharma-Stabes. Bedächtig, warmherzig und zuweilen auch humorvoll ging Alfred auf alle Fragen ein.
Im Wissen um die Kostbarkeit der lebendigen Praxis, wie wir sie im Felsentor erleben durften, nahmen wir Abschied voneinander und von diesem magischen Ort, dessen Strahlkraft bis in unsere Alltagswelten und darüber hinaus weiter wirkt. Worte gegenseitiger Dankbarkeit, ein Gruppenfoto vor dem Zendo und ein schmackhaftes Mittagessen rundeten das Ende der Praxisperiode ab.
Als einer der letzten Gedankenanstösse gab uns Kokyo das bekannte Koan «Alltäglicher Geist, ist der Weg» mit auf die Reise.
Das Leitungsteam der Winterpraxisperiode 2024
Joshu fragte Meister Nansen: «Was ist der Weg?» «Alltäglicher Geist ist der Weg», war Nansens Antwort. «Soll ich nach ihm suchen?» fragte Joshu. Nansen: «Suche und du wirst dich unweigerlich von ihm fortbewegen.» «Wie kann ich dann wissen, was der Weg ist?» insistierte Joshu. Nansen: «Der Weg ist keine Sache des Wissens oder nicht Wissens. Wissen ist Illusion; und nicht Wissen ist Verwirrung. Wenn du den wahrhaftigen Weg erreicht hast jenseits von Zweifel, wirst du ihn als grenzenlosen Raum erfahren. Wie kann da noch von richtig und falsch gesprochen werden?» Mit diesen Worten kam Joshu zu einem plötzlichen Erwachen.
Mumonkan Fall 19